Warum sollte man als junger Mensch nach Afrika gehen? Das ist eine Frage die man jetzt stundenlang diskutieren könnte und die wahrscheinlich sogar eine Talkshow spätabends im öffentlichen Fernsehen füllen könnte. Die meisten kommen hier hin, um sich sozial zu engagieren. Es gibt unendlich viele Projekte mit Kindern, Kranken, medizinischer Vorsorge und und und. Aufgeregt war ich allerdings erst, als ich mein wildlife-Projekt gefunden hatte. Endlich mal was anderes! Wenn ich ehrlich bin, ist bei mir die soziale Ader nicht so intensiv ausgeprägt, als vielleicht bei anderen. Das soll nicht heißen, dass mir die Missstände in der dritten Welt am Hinterteil vorbei gehen aber ich bin eigentlich nicht so sehr an sozialen Projekten interessiert gewesen… eigentlich.
Nachdem die Jungs und ich letzten Donnerstag endlich aus dem Busch gekommen sind, haben wir uns zunächst ein paar Tage Entspannung und Luxus gegönnt. Während die anderen Volunteers morgens in ihren Projekten waren, sind wir in ein Touristenzentrum gefahren. Am Slipway gibt es einen Markt mit Souvenirs, Einkaufsmöglichkeiten mit aus Europa importierten Waren, ein ziemlich teures Hotel und sogar einen englischen Buchladen. Nachdem wir durch Buchladen und Supermarkt geschlendert sind und uns angeschaut haben, was wir theoretisch mit dem nötigen Kleingeld alles kaufen konnten und wir uns entschieden haben, dass umgerechnet 12 Euro für eine Lindt zu teuer sind, sind wir ins Restaurant vom Slipway Hotel gegangen. Hier gab es sehr leckeres Essen, zwar zu europäischen Preisen, aber was soll´s. Man konnte hier sogar Baguette mit richtigem Käse und frischem Gemüse bekommen und Kaffee! Nachdem wir uns regelrecht kugelig gefuttert hatten, machten wir uns am Pool breit. Der Pool war auf einer Art Dachterasse angelegt, von der aus man direkt auf das Meer blicken konnte. Da niemand sonst im Pool war, hatten wir freie Fahrt. Wir haben den Wasserüberfluss sehr genossen, sind wild geplantscht oder nur im Wasser gedümpelt, bis wir ganz schrumpelig waren. Manchmal tut ein bisschen Tourist sein doch sehr gut.
Das Wochenende haben wir sehr entspannt verbracht. Wir waren zwar am Freitag in einer Bar, aber sonst haben wir die meiste Zeit im Student House verbracht, weil es einfach zu heiß war. Außerdem mussten wir noch die ganze Angelegenheit mit unserer Organisation klären, denn wie sollte es nun weiter gehen? Wir mussten zunächst mit dem Hauptsitz vor Ort sprechen. Wir vier Buschmenschen saßen also vor dem PC und haben mit dem Hauptverantwortlichen in Tansania geskypt. Das Gespräch verlief sehr zäh. Es gab immer wieder Verständigungsprobleme und wir haben uns die ganze Zeit im Kreis gedreht. Wir haben das Gespräch also abgebrochen und wollten mit dem deutschen Büro sprechen. Da trafen wir auf deutlich mehr Verständnis. Es wurde uns direkt versichert, dass wir eine Lösung finden würden und dass es unserer Organisation sehr Leid täte, dass das Projekt so ein Desaster war. Am Tag darauf wurden auch die tansanischen Partner über unser Gespräch informiert und wir haben gemeinsam eine Lösung gesucht. Uns wurde versichert, dass wir das Projekt wechseln dürften oder bei Abbruch der Reise unser Geld zurück bekämen. Das ist doch schon mal etwas.
Jetzt war ich schonmal endlich in diesem Land, hatte mich so sehr gefreut und vorbereitet und was sollte ich jetzt schon zu Hause? Jetzt schon zu fliegen kam gar nicht infrage. Zwar hatte das Projekt bisher überhaupt nicht geklappt, aber es gab noch sooooo viel zu sehen, die Leute hier waren mega nett und ich war ja in erster Linie für die Erfahrung hier. Das einzige Problem war nur, dass es fast ausschließlich soziale Projekte in Tansania gibt, die von unserer Organisation angeboten wurde. Für ein medizinisches Praktikum bräuchte ich eine spezielle Genehmigung, die ich nicht hatte. Also mussten die Löwen und Elefanten doch ohne mich überleben und ich ging jetzt doch ein Stückchen Welt retten. Mein Plan, soweit man in diesem Land irgendwas planen kann, sieht momentan so aus, dass ich erstmal nach Morogoro gehe, um dort in einem Zentrum für behinderte Kinder zu arbeiten. Ab Weihnachten werde ich meine restliche Zeit in Dar es Salaam verbringen, um von dort aus intensiv zu reisen und dann vorraussichtlich die Reise im Frühjahr beenden.
Erstaunlicherweise konnte ich meinen Plan relativ flott in die Tat umsetzten. Am Montag bin ich mit Anna, einem Neuankömmling, nach Morogoro gefahren. Obwohl ich erst ein paar Tage in der Stadt verbracht habe, freute ich mich die Berge wieder zu sehen. Das nennt man wohl bergweh :P Anya, die hier schon länger wohnt und arbeitet hat uns herzlich empfangen und auch ihr Vater und Bruder waren auf einen Besuch aus Deutschland da. Gemeinsam sind wir in die Stadt gefahren, haben dort etwas gegessen und ein paar Besorgungen gemacht. Beim Handyladen wurden wir von einer stämmigen Dame prompt eingeladen, sie eines Tages mal zu besuchen. Die Tansanier sind einfach sehr offen und Weiße immer eine Attraktion.
Am nächsten Morgen sind wir drei Volunteers ins Amani Centre gefahren. Die Kinder kamen direkt angerannt, um nach unseren Händen zu greifen, uns zu begrüßen und unsere Aufmerksamkeit zu bekommen. Nach einer kleinen Einführung durch Anya sind wir ins Büro gegangen. Dort stellten wir uns ebenfalls als „die Neuen“ vor, aber die Reaktion war schon fast abzusehen. Wie was, die Neuen? Hier hatte niemand von uns gehört oder war in irgendeiner Weise darüber informiert, dass wir kamen. Typisch… Bevor wir irgendwas arbeiten durften, musste natürlich mit unserem Ansprechpartner vor Ort geredet werden. Heute waren wir also nur Besucher. So langsam sollte ich mich daran gewöhnen, wie die Dinge hier angegangen und organisiert wurden. Wir durften also bei den Homevisits zuschauen, bei denen Kinder besucht wurden, die nicht ins Amani Centre zur Therapie kommen können oder die schon mal therapiert wurden und nun regelmäßig überprüft wurden.
Zurück im Hotel hab ich erstmal mein Zimmer eingerichtet. Zwar haben wir in Morogoro kein Studenhouse und das WG-feeling fehlt, aber dafür hat man seinen eigenen Rückzugsort. Bei lauter Musik hab ich einige Dinge aus dem Koffer gekramt, Möbel verschoben und ein paar Fotos von meiner Chaostruppe daheim aufgehangen. Außerdem habe ich mit einer wirklich ausgeklügelten Technik ein Spinnennetz aus Schnüren aufgehangen, um mein Moskitonetz oder frisch gewaschene Wäsche aufzuhängen. Frisch gewaschen ist dabei auch eher relativ. Meine T-Shirts sehen mittlerweile so schmuddelig aus und man bekommt die Wäsche echt nicht fleckenfrei, sodass ich vermutlich einen Großteil meiner Geraderobe spenden werde.
Zur Feier des Tages haben Anna und ich abends eine Art Einweihungsparty gefeiert: bei einem kalten Bier haben wir in meiner mittlerweile recht wohnlichen Höhle Circus Halligalli geguckt.
Ich stehe weiterhin noch mit meiner Organisation in Deutschland in Kontakt, die sich bisher noch sträubt weitere Erstattungen zu genehmigen, aber irgendwie lässt sich auch das klären.
Immerhin bin ich jetzt in Morogoro und habe ein Projekt gefunden, in dem ich nun hoffentlich bald arbeiten darf und mit welchem ich mich auf jeden Fall anfreunden kann. Natürlich ist das nicht das, wofür ich hergekommen bin aber Afrika birgt einfach eine Menge Ungewissheiten. Ich wollte ein Abenteuer und eine Herausforderung und die werde ich zusammen mit einer Menge interessanter Eindrücke und Erfahrungen bekommen. Und wer weiß wozu das Ganze gut ist, schließlich passiert nichts ohne Grund…