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- ohwsia
- 20. Jan. 2015
- 7 Min. Lesezeit

Urlaub und Entspannung sind essentiell wichtig. Mit diesem Leitmotiv als Grundsatz habe ich die letzten vier Wochen auch wirklich gut genutzt. Nachdem ich zunächst einen Entspannungsurlaub auf Zanzibar und dann eine wirklich schöne Woche in Tanga mit Festessen und Weihnachten verbracht habe, kam ich nun etwas zerzaust und erschöpft aus einer Art Partyurlaub auf Zanzibar zurück.
Ich muss ehrlich gestehen, dass es mir wirklich schwer fiel am Montag wieder zur Arbeit zu gehen. Mal davon abgesehen, dass ich mich körperlich noch nicht wieder in bester Form befand, war so langsam ein Ende der eigentlichen Freiwilligenarbeit in Sicht und leider zogen sich die letzten beiden Wochen ziemlich in die Länge.
Zum Glück passierten aber trotzdem noch ein paar sehr interessante Dinge. Zunächst gab es nämlich Zuwachs in Morogoro. Anya war nämlich aus unserer Lodge ausgezogen und zu einem Freund in die WG gezogen, nachdem sie nun ihren offiziellen Dienst beendet hatte und nur noch privat hier war. Ich war also eigentlich alleine. Nach einigen Tage aber reiste Matthias an. Er würde die nächsten drei Monate in Morogoro in einem medizinischen Projekt verbringen. Kaum hatte ich mich an das neue Gesicht gewöhnt, kam wieder ein Neuzugang: Luisa. Auch sie würde in dem medizinischen Projekt arbeiten, allerdings für vier Monate. Da waren wir wieder eine gemütliche Dreierrunde. Natürlich kam uns Anya zwischendurch immer mal besuchen, aber wenigstens hatten wir nach der Arbeit, beim Abendessen und auch sonst immer jemanden zum Quatschen.
Die beiden benötigten wirklich wenig Zeit, um sich einzugewöhnen. Beide wurden von mir schon am ersten Tag auf ein Pikipiki gezerrt und hielten die Fahrt tapfer durch und hatten sogar Spaß an den Dingern. Auch die Stadtführung durfte natürlich nicht fehlen. Die beiden wurden mit allen wichtigen Insidertipps versorgt, die sie für ihr tägliches Leben und den Alltag brauchten.
Die Abende gestalteten sich meist ähnlich. In den letzten beiden Wochen, die ich in Morogoro verbrachte, war das Wetter beinahe durchgehend schlecht. Die kleine Regenzeit hatte nicht wirklich stattgefunden und verschob sich nun offensichtlich nach hinten. Das bedeutete aber zum einen, dass ich nun endlich mal wieder Jeans und Pullover anziehen konnte, aber auch dass wir abends gemütlich auf einer Tasse Tee zusammensitzen und Gesellschaftsspiele spielen konnten. Wir hatten in der Stadt nämlich einen kleinen indischen Kiosk gefunden, der ein großes Kartendeck verkaufte. Außerdem bastelten wir uns aus Seifenresten und Kerzenenden kleine Würfel und malten Spielbretter, die wir mit Kieselsteinen oder verschieden farbigen Bohnen als Spielfiguren bestückten. Man wird in Afrika wirklich kreativ! Schon nach wenigen Abenden wurden wir zu wahren Spielexperten. Mit unseren Karten konnten wir mittlerweile sogar Spiele wie „Wizard“ simulieren, „Lügen“, „schwimmen“ oder „Arschloch“ waren aber auch Inhalt unserer Spielesammlung. Gerade bei unheimlichen Gewitter und wahren Regengüssen machte es sehr viel Spaß im Trockenen an der Hotelbar zu sitzen und Spielchen zu spielen.
Bei der Arbeit passierte dafür leider nicht so viel. Die meisten Kinder waren noch nicht wieder zurück. Über Weihnachten durften die Waisenkinder für einige Wochen zurück zu ihren Familien (falls vorhanden) und kehrten erst im Laufe des Januars bzw. Februars zurück. Auch in der Physio gab es nichts zu tun, da die erst nächste Woche wieder anlaufen würde. Um uns wenigstens ein bisschen zu beschäftigten, übernahmen wir Aufgaben wie bergeweise Salat zu schnippeln für die Kinder, die da waren. Es ist wirklich erstaunlich sich vor Augen zu halten, wie viel die Köchinnen täglich für die Rasselbande kochen müssen. Nichtsdestotrotz beschränkte sich unser Arbeitstag immer auf eine etwa 3-Stunden-Schicht.
In der darauf folgenden Woche begann endlich wieder die Daycare-Class. Man konnte sich zumindest da wieder etwas engagieren, mit den Kindern malen oder einfach nur zusehen. Außerdem fand in dieser Woche ein verspätetes Weihnachtsfest statt. Hierfür reisten sämtliche Menschen mit Behinderung aus der Umgebung an und auch die Gehörlosenklasse einer Partnerschule nahm teil. Das Fest war wirklich wahnsinnig lustig. Die Kinder durften an kleinen Wettbewerben, wie Tauziehen oder Reifenhüpfen teilnehmen und es wurde ganz viel getanzt. Selbst die Gehörlosen hatten eine Tanzchoreografie einstudiert. Dafür wurde die Musik unheimlich laut aufgedreht, sodass die Kinder den Bass spüren konnten und dann konnte es losgehen. Es war wirklich schön zu sehen, dass die Kinder Spaß hatten und es beeindruckte mich zu sehen, zu was die Taubstummen fähig waren.
Dennoch stand in dieser Woche auch ein negativer Programmpunkt in meinem Kalender. Ich war nun schon fast drei Monate im Land und mein Visum lief bald aus. Ich hatte allerdings geplant noch weitere vier Wochen zu bleiben. Theoretisch wäre das mit einer vierwöchigen Verlängerung des Touristenvisums möglich, die zudem kostenlos wäre. Dies könnte sich allerdings auch als Problem herausstellen. Zum einen tut sich das Immigration-Office schwer damit, kostenlosen Service für die vermeintlich reichen Weißen anzubieten, zum anderen musste ich der Behörde glaubhaft verkaufen, dass ich tatsächlich nur ein Tourist sei. Einen Tag bevor mein Visum auslief wollte ich zur Behörde. Früher ging es leider nicht, da die Verlängerung erst ab dem Zeitpunkt gilt, an dem der entsprechende Stempel im Pass steht.
Ich hatte die Nacht vorher wirklich schlecht geschlafen, im schlimmsten Falle musste ich 200 Dollar für ein Arbeitsvisum ausgeben oder sogar am nächsten Tag das Land verlassen... Ein Mitarbeiter vom Amanicentre hatte sich aber netterweise angeboten mich zu begleiten.
Im Immigration-Office übernahm er das meiste Reden, da ich den Offiziellen nicht direkt unter die Nase reiben wollte, dass ich mittlerweile über grundlegende Swahilikenntnisse verfügte. Es dauerte eine Weile bis die Dame alle Infos gesammelt hatte und uns zum Warten hinausschickte. Etwas später sollten wir wieder an den Schalter herantreten, es gab offensichtlich Probleme. Natürlich hatte ich noch ein Ass im Ärmel, da ich mir schon gedacht hatte, dass ich so einfach keine Verlängerung bekommen würde. Ich überreichte der Dame mein Flugticket, welches für den 6. Februar datiert war und siehe da, es half! Zwar musste ich eine Kopie als Beweis abtreten, aber die Dame schien nun überzeugt davon zu sein, mich tatsächlich in 4 Wochen los zu sein und machte sich eifrig an den Papierkram. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Das ging ja doch relativ einfach... dachte ich.
Kurze Zeit später wurde ich von einer weiteren Dame gebeten ihr zu folgen. Wohlwissend bat ich den Mitarbeiter aus dem Amanicentre mitzukommen, das Prozedere kannte ich ja mitlerweile schon. Anders als beim letzten Besuch, wurde ich dieses Mal allerdings die Treppe hoch in das Büro des Chefs geschleppt. Der wuchtige Mensch klemmte hinter seinem Schreibtisch und wollte mir ein paar Fragen stellen. Wo ich denn schon alles gewesen sei? Ich zählte ihm gewissenhaft meine bisherigen Ausflüge auf: Bagamoyo, Kilwa, Morogoro, Iringa, Tanga, Dar es Salaam, zweimal Zanzibar... jetzt wollte ich noch in den Norden, den Kilimanjaro besuchen. Der Beamte nickte langsam und betrachtete mich eindringlich. Ob ich auch noch anderen Tätigkeiten nachgegangen sei? Ich stellte mich ein wenig dumm und fragte zurück, was er damit meinte. Na, andere Tätigkeiten! Ich beteuerte, dass ich Backpacker war, ich sei gereist, was anderes würde ich nicht verstehen. Da kam er auf den Punkt. Er hätte die Info, dass ich im Amanicentre arbeiten würde. Obwohl mir innerlich die Pumpe ging und ich ziemlich Muffensausen hatte versuchte ich einen kühlen Kopf zu bewahren und wies auf meinen Pass. Die beiden Einreise-Stempel bewiesen doch, dass ich in der letzten Zeit des öfteren auf Zanzibar gewesen bin und somit gar nicht hätte arbeiten können. Der Mensch nickte nachdenklich und befahl mir mürrisch, jetzt zu gehen. Seine Fragen seien beantwortet. Der Mitarbeiter vom Amanicentre beteuerte mir, dass ich wirklich sehr überzeugend war und ich das wirklich gut gemacht hatte, ich war dagegen einfach nur fertig. Unten am Tresen dauerte es nicht lange, da wurde mir mein Reisepass inklusive Aufenthaltsgenehmigung für weitere vier Wochen überreicht. Strike! So schnell wie wir konnten, haben wir uns aus dem Staub gemacht. Zum Glück musste ich jetzt nie wieder hier hin und hatte das endlich geregelt!
Aber auch hier hielt Tansania mir mal wieder eine Überraschung bereit. Nur wenige Tage später wollte ich wie gewohnt zur Arbeit fahren. Das Frühstück hatte etwas länger gedauert, sodass ich mit leichter Verspätung erst losfuhr. Im Amanicentre erklärte mir Anya ganz aufgebracht, ich sollte direkt wieder fahren. Schockiert wollte ich wissen, was passiert sei, ich dachte schon irgendwer wäre gestorben. Aber die Antwort erübrigte sich, als die Immigration-Police aus dem Büro trat. Ich saß noch auf dem Pikipiki, als sie mich nach meinem Reisepass fragten, den ich natürlich nicht dabei hatte. Stattdessen wollten sie die Telefonnummer des Hotelleiters haben. Die konnte ich ihnen leider geben. Danach ließ mich der Polizist zwar in Ruhe, dennoch ließ ich mich flott wieder nach Hause bringen. Wie eine Kleinkriminelle auf der Flucht, musste ich mittlerweile schon auf dem Motorrad zurück in die Lodge flüchten...
In der Lodge klopfte es allerdings etwa eine halbe Stunden später an die Tür. Baracka, mein Ansprechpartner, musste mich sprechen, da die Immigration-Police hier sei. So ein Mist, auch das noch. Witzigerweise dauerte das Gespräch nicht lange. Der Beamte bekam einige Takte von Baracka erzählt, außerdem eine Kopie meines Passes und verschwand dann wieder. Zwar beteuerte mir Baracka, ich könne nun wieder unbedenklich arbeiten gehen, allerdings hatte er mir solche Versprechen schon einmal gegeben. Ich würde erst wieder zur Verabschiedung ins Amanicentre fahren.
Ich nehme an, dass der Beamte entweder bestochen wurde, oder andere Maßnahmen angewandt wurden. Der Besitzer unserer Lodge scheint nämlich der Sohn des früheren Präsidenten zu sein, wie ich mittlerweile herausgefunden hatte. Wahrscheinlich besteht aus diesem Grunde ein sehr großer Einfluss auf die Behörden, zumal die Aussicht besteht, dass sich der Mann in einigen Jahren zur Wahl aufstellen lassen wird, um die frühere Position seines Vaters einzunehmen. Wie dem auch sei, Korruption hin oder her, ich war fein aus der Sache raus!
Die letzten Tage in Morogoro waren schon seltsam. Im Amanicentre verteilten wir Obst für die Kinder und verteilten diverse Spenden, die wir gesammelt hatten und die Freude war riesig. Zum letzten Mal wurde noch einmal gesungen und getanzt und zum Abschied jedes Kind geknuddelt. Zum Glück sind die Kids noch so klein, dass die meisten nicht verstanden, dass wir nun gehen würden bzw. würden den Abschied schon in wenigen Tagen überwunden haben. Auch die Mitarbeiter waren super herzlich. Es wurden noch ein paar Selfies gemacht und nette Worte ausgetauscht, bevor wir gingen. Auch wenn das Amanicentre nicht mein Wunschprojekt war und mich auf Dauer auch nicht glücklich gemacht hätte, gab es doch einige Leute, die mir ans Herz gewachsen sind.
Auch generell wurde mir bewusst, dass Morogoro ein Stückchen Heimat geworden war. Der Schneider in meiner Straße sah mich immer vorbeifahren und winkte mir immer zu, auf dem Markt hatte man seine Lieblingsverkäufer, im Vodafonladen gab es John, den ich bei jeglichen technischen Problemen anrufen konnte. Auch mein Pikipikifahrer war sehr traurig, als er mich das letzte mal fahren durfte. Jeden Morgen ist er mir schon entgegengefahren, wenn er mich von der Lodge kommen sah und war stets zuverlässig, zu jeder Tages- und Nachtzeit. In der Lodge halfen mir die sonst so unmotivierten Mitarbeiterinnen meine Koffer schleppen und wünschten mir alles Gute. Auch der Koch, Chefu genannt, war ganz schockiert, dass ich nun schon gehen musste. Auch er wollte noch ein gemeinsames Foto haben, bevor er mich gehen ließ.
Zum Glück musste ich mich jetzt nicht direkt in den Flieger setzten und nach Hause fliegen, sondern hatte noch einige Wochen in Tansania. Auch wenn es mir schwer fiel die Stadt zu verlassen, in der ich die letzten Monate gelebt und gearbeitet hatte, freute ich mich schon wieder darauf nun nach Tanga zu fahren und dort die Mädels wieder zu treffen.
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