Weihnachten, das Fest der Liebe, des guten Essens und der Familientreffen. Auch wenn ich anfängliche Bedenken hatte, dass Weihnachten eher ein Trauerspiel werden würde inklusive Heimweh, sollten sich meine Zweifel schon bald in Luft auflösen.
Die Mädels aus Tanga hatten mich schon vor einigen Wochen zu sich eingeladen, sie wollten Weihnachten bei sich im Studenthouse verbringen und fragten, ob ich nicht auch einfach kommen wollte.
Leider hieß das am Sonntag Abschied nehmen von Anna, sie flog noch vor Weihnachten wieder nach Hause zu ihrer Familie. Generell hasse ich Abschiede, vor allem wenn man sich von Menschen verabschieden muss, die man wirklich sehr liebgewonnen hat. Mit Anna hatte ich die letzten paar Monate wirklich tagtäglich zu tun, wir haben praktisch zusammen gewohnt und ständig aufeinander gehangen. Von daher fiel es mir nicht leicht tschüss zu sagen, aber was muss das muss. Schließlich kann man sich auch noch in Deutschland wiedersehen.
Als ich abends in Tanga ankam war ich ziemlich geschafft und vor allem hungrig. Die sieben Stunden Busfahrt können sich ganz schön ziehen, vor allem wenn man nicht viel mehr tun kann als lesen und schlafen. Zum Glück haben mich die Mädels direkt herzlich empfangen und mich mit reichlich Essen versorgt. Obwohl es eine Menge zu erzählen gab, sind wir alle sehr früh ins Bett, um am nächsten Tag wieder frisch zu sein.
Am Montag durfte ich mit Lena, Ele und Leo mit ins Comforty, einem Waisenhaus in Tanga. Die drei arbeiten dort schon seit einer Weile und da sie, anders als wir, ziemlich freie Hand haben mit dem was sie mit den Kindern unternehmen wollen, überlegen sie sich täglich neue Beschäftigungsmöglichkeiten. Wir haben zusammen Karten und Verstecken gespielt, haben getobt, Plumpssack und zum Abschluss Fußball gespielt. Mir hat es total Spaß mit den Kids zu spielen und sich mal wieder richtig austoben zu können. Auch die Kinder haben einen Mordsspaß, wenn man sich mit ihnen beschäftigt. Wilde Spiele, wie Fußball oder ähnliches, sind leider mit unseren Kindern leider nicht möglich. Verschwitzt, matschig, erschöpft aber überaus glücklich saß ich später mit den anderen in Lucas´ Bajaji. Lucas ist der persönliche Fahrer der Mädels in Tanga. Weil er mit der Hausherrin Josie befreundet ist, gibt es bei ihm immer Freundschaftspreise, er holt die Mädels überall ab und das Beste ist, dass er eine fette Musikanlage in sein Bajaji gebaut hat. So brausen die Tanga-Mädels immer mit pumpenden Beats durch die Stadt. Ele und ich hatten beschlossen, dass wir unbedingt einmal ausprobieren wollten, wie man so ein verfluchtes Tuktuk fährt. Das konnte doch nicht so schwer sein. Vor unserer Haustür haben wir also Lucas gefragt, ob er uns zeigen könnte, wie es geht. Man mag es kaum glauben, aber es ist gar nicht so einfach das Teil in Bewegung zu bekommen. Man hat tatsächlich Kupplung und Gangschaltung, aber beides am Lenker. Für Leute, die bisher nur Autofahren gewohnt sind, ist es echt schwer ein gesundes Mittelmaß an Gas und Kupplung zu finden. Aber ich habe es trotzdem geschafft ein paar Meter mit dem Bajaji zu fahren! :)
Wie ich ja vorhin schon erwähnt hatte, ist Weihnachten mitunter das Fest des guten Essens. Das sollte natürlich nicht zu knapp kommen. Die Mädels hatten ein riesiges Menü aufgesetzt, welches aus vier Gängen bestand und von uns gekocht werden wollte. Auf dem Speiseplan standen Bruschetta mit Salat, Folienkartoffeln mit Guacamole, Tzaziki und Couscous, gegrillter Fisch und Gemüse und zum Dessert Schokocrossies und Mango-Maracuja-Sorbée. Natürlich durfte auch das alkoholische Begleitgetränk nicht fehlen: Bowle aus den hier erhältlichen Früchten.
Am Dienstag stand somit der weihnachtliche Großeinkauf auf dem Programm. In Deutschland gäbe es zu dieser Zeit reges Gedränge und Geschiebe in den Supermärkten, weil alle Menschen über die Feiertage möglichst viel Essen hamstern müssen. Zum Glück konnten wir, zumindest in diesem Jahr, den Teil des Weihnachtsstress getrost umgehen. Mit gesammelter Mannschaft sind wir durch die Regalreihen des Supermarktes marschiert und haben alles in die Einkaufskörbe verfrachtet, was auf unserer meterlangen Einkaufsliste stand. Für das Gemüse und Obst machten wir noch einen Abstecher über den Markt und den Alkohol für die Bowle besorgten wir im Weinladen um die Ecke. Jetzt konnte Weihnachten kommen!
Am 24. sind wir alle schon früh aus den Federn gekrochen, schließlich hatten wir heute Großes vor. Anna, Ele und Leo hatten sich bereit erklärt die Zutaten zu besorgen, die frisch gekauft werden mussten, also sowas wie Joghurt und Fisch. Jin-ah, Lena und ich haben in der Zwischenzeit angefangen das gesamte Obst zu schnipseln und schonmal in Vodka einzulegen. Während wir Berge von Früchten bearbeiteten lief nebenbei natürlich das passende Weihnachtsprogramm: Weihnachten bei Pettersson und Findus, Michel aus Lönneberger und ähnliches. Nachdem wir die großen Wasserkanister mit den eingelegten Früchten gut verstaut hatten, ging es dem Gemüse an den Kragen. Zum Glück kamen schon bald die anderen wieder, sodass wir parallel in der Küche den Nachttisch und im Esszimmer die Salate zubereiten konnten.
Den Fisch übernahm dankbarerweise Jin-Ah. Ohne mit der Wimper zu zucken nahm sie das glitschige Tier zunächst aus, entfernte die Schuppen und säbelte dann unerschrocken den Fisch in Filetstücke. Gegen frühen Nachmittag waren wir endlich soweit fertig mit der Essensvorbereitung. Anna, die vor einigen Tagen ein Weihnachtspaket von ihren Eltern bekommen hatte, steuerte fast eine ganze Kiste voller Dekoartikel bei. Improvisation ist mittlerweile unsere Königsdisziplin, mit Pflastern und Paketschnur haben wir kleine Pappsternchen aufgehangen, den Spiegel mit Lametta geschmückt und die Lichterkette an die Wand geklebt. Wir hatten sogar richtige Tischdeko, Weihnachtsservietten und Duftkerzen! Als wir fertig waren sah es wirklich äußert überzeugend aus.
Das Essen fand natürlich in großer Runder statt, wir Mädels und die Mitarbeiter unserer Organisation, welche wir eingeladen hatten. Es gab so unglaublich viel zu essen, dass ich gar nicht wusste wo ich anfangen und aufhören sollte, irgendwie war alles einfach nur lecker!
Leider schmeckte es den Afrikanerinnen nicht so sehr. Davon ließen wir uns aber nicht unsere Laune verderben, im Gegenteil. Ich hatte noch nie so ein tolles Essen hier in Tansania, vor allem weil wir alle viele Stunden verbracht hatten, es zuzubereiten und dabei sehr viel Spaß hatten.
Bevor wir zum Dessert übergingen durfte natürlich auch die Bescherung nicht fehlen. Im Vorfeld hatten wir uns überlegt zu wichteln, sodass jeder eine Kleinigkeit vorbereitet und in den verschiedensten Verpackungen (Plastiktüten, Zeitungspapier, Notizzettel, …) verpackt hatte. Als ich mein Päckchen öffnete, welches Leo mir geschenkt hatte, fand ich einen wunderschönen Kanga darin. Als Spruch stand sowas wie „Gott segne dich“ darauf. Ich habe mich riesig gefreut, weil ich noch nicht dazu gekommen war auf die Suche nach einem Kanga zu gehen und deshalb noch gar keinen besaß. Außerdem wird das eine schöne Erinnerung für Zuhause sein :) Abends wollten wir eigentlich mit der Bowle zum Strand fahren, entschieden uns aber doch kurzfristig das Ganze auf den morgigen Tag zu verschieben und stattdessen auf dem Fußballplatz vor dem Studenthouse ein bisschen zu entspannen. Neben Flaschendrehen, ich-hab-noch-nie und Kartenspielen, haben wir Bowle getrunken und Sternschnuppen beobachtet. Obwohl dieses Weihnachten komplett anders zu dem Zuhause war, war es trotzdem unglaublich toll. Von der Hitze mal abgesehen bin ich tatsächlich in Weihnachtsstimmung gekommen und wir hatten so viel Spaß zusammen, dass ich ehrlich gesagt mein Zuhause gar nicht so sehr vermisst habe, wie ich anfangs befürchtet hätte.
Den Strandbesuch holten wir natürlich am ersten Weihnachtstag nach. Lucas chauffierte uns zum Yachtclub, wo wir den ganzen Tag am Strand lagen, Karten spielten und faulenzten. Am Nachmittag sollten wir jedoch wieder zurück sein, die Hausherrin hatte heute ihr großes Weihnachtsessen geplant. Wie immer dauerte es aber doch noch einige Stunden länger, als gedacht, bis dann endlich das Essen auf dem Tisch stand. Auch heute gab es wieder bergeweise Essen, aber dieses Mal ganz afrikanisch. Gemüsesoßen, Fleisch und Kochbananen standen auf dem Speiseplan. Nichtsdestotrotz kam das tansanische Essen nicht an unser Supermenü des Vortages heran.
Ele und Leo hatten am zweiten Weihnachtstag leider schon ihren letzten Tag im Comforty. Sie würden ihre restliche Zeit noch auf Zanzibar verbringen und nicht mehr ins Projekt zurück kommen. Am Montag hatten sie der Leiterin des Waisenhauses Bescheid gesagt, die darauf die beiden Mädels und mich zu einem Essen am Donnerstag eingeladen hatte. Natürlich fand ich das super nett, schließlich kannte sie mich gar nicht. Aus diesem Grunde wollte ich das Essen auch auf keinen Fall versäumen. Gemeinsam sind wir aus diesem Grunde zum Comforty gefahren. Von da aus ging es mit der ganzen Bande Kinder im Schlepptau via Dalladalla zur Tochter der Heimleiterin, welche dort das Essen vorbereitet hatte. Und was für ein Essen. Es gab Fleisch, Gemüse und Kartoffeln in einem knusprigen Teigmantel. Ganz traditionell haben wir mit unseren Händen gegessen und die beiden Mädels mussten sich noch höflich bei den anderen anwesenden Männern vorstellen. Nach dem Essen ruht man sich bekanntlich aus. Somit haben wir im Nachbarzimmer mit den ganzen Kindern zusammen einen Film geguckt. Zum Abschluss wurden noch Gruppenfotos geschossen und wir sind zurück zum Comforty gefahren. Dort verteilte Ele und Leo noch kleine Abschiedsgeschenke an die Kinder, wie Luftballons, Süßigkeiten und Selbstgebastelte Mappen. Die Kleinen haben jeweils eine kleine Dankesrede gehalten und sich von den beiden verabschiedet. Auch die Heimleiterin hat den Mädels noch einige nette Worte mit auf den Weg gehalten. Ich fand diese kleine Abschiedszeremonie wirklich äußerst rührend, vor allem weil ich weiß, dass im Amani Centre niemals ein solcher Aufriss wegen mir gemacht werden würde.
Die restlichen Tage verbrachten wir wieder im Yachtclub, um dort zum Mittag zu essen und zu faulenzen. Auf dem Wasser dümpelt seit jeher ein riesiges Floß, auf welches wir schon immer mal klettern wollten. Und heute war der Tag gekommen. Wild entschlossen sind wir zu dem schwimmenden Brettern geschwommen und haben uns hinauf gehievt. Dort kann man entspannt rumliegen, ohne dass irgendwer stört. Als die Sonne langsam unterging machten wir uns einen Spaß daraus immer wieder ins Wasser zu springen, möglichst effektive Arschbomben zu machen oder synchron im kühlen Nass zu landen.
Wenn man bedenkt, dass es immer noch tiefster Winter in Deutschland ist und Weihnachten gerade mal wenige Tage her ist, wirkt diese Kulisse eher witzig. Nichtsdestotrotz hätte ich mir glaube ich kein schöneres Weihnachten vorstellen können: ich hatte meine Mädels um mich herum, es gab ausgezeichnetes Essen und natürlich eine Menge Spaß!