Am nächsten Tag hatten wir eigentlich geplant unsere Reise nach Arusha fortzusetzten. Aber irgendwie kann man planen wie man will, es verläuft eh alles anders. Wir trafen heute nämlich eine weitere Freiwillige, die vor Ort im Projekt arbeitete und uns die Werkstätten zeigen wollte. Außerdem war gerade ein deutscher Professor angereist, welcher in der Umgebung einige Seminare geben musste. Das Usa rehabilitation and training centre bildet die jungen Menschen mit Behinderung in verschiedenen Bereichen aus: Schreiner, Schlosser, Schneider, Schuster und Bäcker. Seit neuestem gibt es außerdem die Spezialklasse, die vorwiegend in alltäglichen Dingen geübt wird, sodass die Schüler bei ihrer Rückkehr nach Hause kleine Arbeiten in ihren Familien verrichten können. Die jeweiligen Werkstätten sind wahnsinnig gut ausgestattet. Alleine die Bäckerei sah aus wie eine deutsche. Durch Spenden, der Vermietung der Räumlichkeiten und der Erlös der selbstproduzierten Produkte wird das Zenter finanziert und regelmäßig Container mit neuen Geräten und Ausstattungen aus Deutschland hier hin transportiert. Mir war nicht wirklich bewusst, dass ein solches Projekt in der Form existierte bzw. auch realisierbar sei. Uns wurde auch versichert, dass das Zentre sehr viel Aufwand darstellte und auch Geld koste, weshalb die Kirche ständig auf Spenden angewiesen sei, um Schulgelder und laufende Kosten zu tragen.
Wir saßen noch eine ganze Weile mit dem Professor, der Freiwilligen und der mittlerweile fest angestellten Deutsche zusammen, tauschten uns aus und tranken Smoothies. Als wir von unseren Plänen zur Weiterreise am Nachmittag erzählten blickten uns die beiden Mitarbeiterinnen groß an. Aber wir könnten doch gerne bei ihnen bleiben! Nach kurzem Hin und Her entschieden Anya und ich uns dafür. Warum weg, wenn man gerade einen Haufen netter Leute kennen gelernt hatte? Wir verbrachten also noch einen weiteren Tag im Usa River, quatschten mit den Mädels und ließen uns Kaffee vom professor spendieren. Es war wirklich auch interessant zu hören, was die Mädels zu berichten hatten. Beide hatten das Projekt über weltwärts gefunden und sprachen in den höchsten Tönen von der Organisation. Unter den Umständen, in denen die beiden hier lebten, hätte mir ein solches Projekt auch auf jeden Fall gefallen!
Da wir nun unseren Aufenthalt im Usa River verlängert hatten, mussten wir in Arusha Abstriche machen. Zwar blieb uns nun keine Zeit mehr für einen Besuch im Massai-Dorf, aber dies sparte uns wiederum Geld und wäre vermutlich sowieso viel zu touristisch geworden. Es stellte sich auch heraus, dass unsere Entscheidung von Vorteil war. Arusha ist ganz und gar nicht schön. Zwar gab es viele Möglichkeiten Essen zu gehen oder Kaffee zu trinken, aber die Stadt war stark vom Safaritourismus geprägt. Die Preise in den Souvenierläden waren Wucher und die Sadt wimmelte nur von Hotels und Safariunternehmen. Dazu kam, dass vor kurzem der berühmte Massaimarkt abgebrand war. Der riesige Markt hat früher wunderschöne Arbeit und Produkte der Massai geboten. Davon war jetzt aber nichts mehr übrig, es wird vermutet, dass es sich um Brandstiftung handelt. Böse Zungen behaupten ebenfalls, dass es kein Wunder wäre, wenn in Kürze ein ausländischer Investor ein dickes Gebäude auf das Grundstück setzten würde.
Weil wir hier weder Zeit noch Lust hatten unnötig viel Zeit zu verbringen, besorgten wir uns Bustickets nach Lushoto für den nächsten Tag. Unglücklicherweise fuhr nur eine Buslinie direkt, sodass wir gezwungen waren den Bus morgens um 6 Uhr zu nehmen.
Die beiden Mädels aus Tanga, Anna und Jin-Ah hatten angekündigt, dass sie uns in Lushoto treffen wollten, sodass wir gemeinsam die dort geplante Wanderung machen könnten. Ich freute mich tierisch auf den letzten Ausflug mit den beiden. Zwar waren wir mächtig platt, als wir nach der Busfahrt, die geschlagene 9 Stunden gedauert hatte, in dem winzigen Bergdorf kurz vor Tanga ankamen. Das malerische Dorf, welches von deutschen Backsteinhäuschen aus der Kolonialzeit geprägt ist, liegt mitten in den Usambara Bergen. Nachdem wir an dem Abend tot ins Bett gefallen waren, sollten die Mädels am nächsten Morgen anreisen. Auch ihr Bus verspätete sich allerdings um einige Stunden, sodass sie erst gegen Mittag da waren.
Wir hatten wohlweißlich Obst organisiert, sodass wir direkt nach einem kleinen Snack in die Berge konnten. Zu viert sind wir also die leichte Steigung aus dem Dorf hinaus und den Berg hoch gestapft. Unser Ziel war eigentlich die Irente Farm. Der Bauernhof wurde uns ausdrücklich empfohlen, da hier Käse, Honig, Marmeladen und Roggenbrot hergestellt wurde. Leider haben wir aber eine Abzweigung verpasst und sind in die komplett falsche Richtung gelaufen. Das war mal wieder typisch! Nichtsdestotrotz war die Aussicht himmlisch. Man konnte direkt ins Tal blicken und die anderen Berge betrachten, auf denen sich winzige Wasserfälle abzeichneten.
Als wir nach längerem Suchen und Fragerei endlich am Aussichtspunkt der Irente Farm angekommen waren, war es nicht nur langsam dunkel, sondern unglücklicherweise auch zu spät, um dort noch etwas zu Essen. Wir hielten uns also zwei Pikipikis an und fuhren zurück zum Hotel.
Die Aussicht auf ein leckeres Butterbrot mit Käse ging uns aber selbstverständlich nicht aus dem Kopf. Somit dachten wir uns, dass wir uns einfach ein zweites Frühstück dort gönnen würden. Also suchten wir uns gegen frühen Nachmittag wieder ein paar Pikipikis und ließen uns zu der Farm fahren. Die Farm bot in ihrem Laden wunderschöne Dinge an, von Eingemachten, zu eigenen Müsliriegeln oder Maracujasaft. Wir wussten, dass wir diesen Ort nicht hungrig verlassen würden. Die Leiterin, welche vor 25 Jahren aus Deutschland ausgewandert war, bot uns das Rundumpaket für umgerechnet 4 Euro an. Wir setzten uns auf eine kleine Waldlichtung mit Blick über die Usambara-Berge, über uns krähten riesige Tropenvögel und wir wurden mit allerlei Leckereien verwöhnt. Kräutercreme aus Ziegenkäse, normaler Käse, Roggenbrot, vier verschiedene Marmeladen, Mangochutney, Früchte und Gemüse und Maracujasaft. Für jemanden, der die letzten vier Monate ausschließlich Toastbrot bekommen hat und absolut keine Milchprodukte war dieses Essen göttlich. Es braucht nur ein Stückchen Brot mit Käse, um die ausgehungerten Freiwilligen glücklich zu bekommen.
Dieser kleine Höhepunkt sollte schließlich das Ende der Nordtour darstellen, denn bald müssten wir zur Bushaltestelle im Dorf und zurück nach Tanga fahren. Zwar ist es unheimlich anstrengend so viel zu reisen, ständig unterwegs zu sein und ausschließlich aus dem Rucksack zu leben. Zumal die Reisestrecken oft sehr lang sind in Tansania und die Transportmittel wenig Komfort bieten bei brüllender Hitze. Dennoch haben wir unheimlich viel sehen dürfen, konnten neue Menschen kennenlernen und Tansania ein letztes Mal so genießen wie es leibt und lebt.