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Amazing Grace

Unter der Woche heißt es meistens Arbeiten. In letzter Zeit wechseln wir täglich zwischen der Physio, der Daycare und Büroarbeit, damit uns nicht langweilig wird. Trotzdem passiert während der Woche nicht wirklich viel. In der Physio betreuen wir immer die gleichen Kinder, machen mit ihnen Geh- und Stehübungen und in der Daycare singen und tanzen wir mit der Klasse. Die Abende verbringen wir immer vor dem Laptop, um irgendwelche Filme zu streamen oder Circus Halligalli zu gucken. Nachdem wir auch am Donnerstag erst recht spät in unseren Betten lagen, klopfte es plötzlich an meiner Tür. Etwas verwirrt machte ich die Tür auf und dort standen Anna und Anya, jeder hatte eine Kerze in der Hand und die beiden hatten einen riesigen Teller mit Mango, Kokosnuss, Keksen und Gummibären vorbereitet. Die beiden hatten tatsächlich bis Mitternacht gewartet, um dann mit mir in meinen Geburtstag zu feiern. Gemeinsam haben wir die Kekse gemümmelt und Mangos geschlurft und was natürlich auch nicht fehlen durfte war der Alkohol. Diesen gibt es portionsweise in kleinen Tüten zu kaufen. Die beiden hatten mir eine Amarula-Imitation namens Zanzi besorgt, die wir uns geteilt hatten. Manchmal braucht man keinen Kuchen, man kann auch improvisieren.

Am nächsten Morgen sind wir wie gewohnt zur Arbeit gegangen. Wir haben mit den Kindern gespielt, gemalt und gebastelt. Als die Lehrerin zu Singen ansetzte, überraschten mich die Kids mit einem Geburtstagslied sowohl auf Englisch, als auch auf Swahili. Ich fand das total niedlich und hab mich sehr gefreut, wie die Kleinen mit Inbrunst auf den Tischen den Beat geklopft haben.

Leider mussten wir aber heute schon etwas früher von der Arbeit abhauen. Für das Wochenende hatten wir uns nämlich überlegt einen Ausflug nach Iringa zu machen. Iringa liegt realtiv zentral in Tansania, in der Nähe zur Haupstadt Dodoma. Die Busfahrt dorthin hat etwa sieben Stunden gedauert, aber die Landschaft, die an uns vorbeirauschte war wirklich sehr abwechsungsreich. Zunächst fuhren wir durch den Mikumi Nationalpark und haben von der Straße aus Giraffen und Zebras gesehen. Es kann nicht jeder behaupten, seinen Geburtstag mit den wilden Tieren verbacht zu haben :P Nachdem die Landschaft von relativ trocken zu etwas grüner wechselte bahnte sich unser Weg einen steilen Berg hinauf. Im Fernsehen sieht man bei Sendungen wie „die zehn gefährlichsten Orte der Welt“ immer eine extrem schmale Straße irgendwo in Asien, an der ständig LKWs verunglücken. Der Weg den wir gefahren sind, war der kleine Bruder zu der asiatischen Strecke. Trotzdem hatten wir von dort aus einen super Ausblick über die Berglandschaft. Iringa liegt auf einem Felsplateau in ziemlich luftiger Höhe. Nach den grünen Bergen fuhren wir durch eher neblige Felsberge, die durch die Wolken ziemlich düster erschienen. Ich kam ein bisschen so vor, als wäre dies eine Szene aus der Unendlichen Geschichte, wo jeden Moment Pjörnrachzarck, der Felsenbeißer, erscheinen könnte.

Endlich angekommen wollten wir uns direkt auf den Weg zu einem Hostel machen, welches uns vom Reiseführer empfohlen wurde. Das Hostel heißt Neema, was übersetzt sowas wie Gnade bedeutet. Das Neema House besteht aus einem Gästehaus, einer Behindertenwerkstatt und einem Café. Vor Ort mussten wir allerdings feststellen, dass alle Zimmer belegt waren. Die Dame an der Rezeption riet uns allerdings beim Lutheran Guesthouse nachzufragen. Während wir also auf unser Taxi warteten, stöberten wir ein kleines bisschen durch den Laden, welcher zur Werkstatt gehörte. Hier konnte man alles mögliche aus typisch afrikanischen Textilien kaufen, sowie selbstgemachten Schmuck und selbstgeschöpfe Schreibwaren. Das Taxi kam viel zu schnell, aber wir wollten schließlich abends noch essen gehen und konnten noch am nächsten Tag wieder kommen. Die Menschen im Lutheran Guesthouse nahmen uns glücklich auf. Noch viel glücklicher waren aber wir, als wir unser Zimmer bezogen. Das Dreierzimmer war großzügig angelegt, jeder hatte ein großes Bett für sich alleine, mit wunderschönen kuscheligen Patchworkdecken und es gab sogar heißes Wasser! Wie eine Horde Kinder auf Klassenfahrt sind wir aufgeregt durch das Zimmer gelaufen und haben alles inspiziert. Nach einer kleinen Erholungspause bekamen wir jedoch Hunger. Im Reiseführer war von einem Italiener die Rede, der „die beste Pizza der Region“ anbot. Na, das hörte sich doch vielversprechend an. Mit dem Taxi machten wir uns also auf dem Weg. Da Iringa relativ hoch gelegen ist, wird es hier recht kühl. An diesem Abend habe ich das erste Mal gefroren in Afrika, obwohl es noch 25°C waren und sogar kalte Füße bekommen. Das war aber alles schnell verflogen, als wir die Speisekarte im Restaurant vorgelegt bekamen. Hier gab es allerlei Leckereien. Ich entschied mich für eine Schinken-Oliven-Pizza, die beiden anderen für Pasta und Ravioli. Ich hätte niemals gedacht, dass ich das sagen würde, aber ich habe schon lange nicht mehr so gute Pizza gegessen. Der Teig war knusprig-dünn, der Schinken schmackhaft und es gab echten Mozarella. Monatelange Käsediät wird auf Dauer wirklich anstrengend. Es war so schön, das Essen mal wieder so richtig genießen zu können und sich mit geschmolzenem Mozarella vollzuschmieren.

Am nächsten Morgen wachte ich, immer noch seelig von dem Essen und von dem kuscheligen Bett mit richtiger Bettdecke, auf. Auch das Frühstück war vom Feinsten, es gab selbstgemachte Säfte und Omelett. Wir wollten heute die Innenstadt erkunden. Zum Glück ist Iringa nicht so riesig und unübersichtlich, sodass wir gemütlich zu Fuß überall hin konnten. Wir marschierten eine Runde über den Massai-Markt, auf dem es die üblichen Kunstgegenstände und Souvenirs gab und bekamen von einer Massai-Dame ein paar Armbänder geschenkt. Danach sind wir einfach ein bisschen durch die Stadt geschlendert und haben uns den Markt angeschaut. Das Gebäude ist riesig groß aber ziemlich dunkel. Wir wurden von einem Mann abgefangen, der uns die Küche zeigen wollte. So neugierig wie wir waren folgten wir ihm in einen Nebenraum und kamen in ein großes dunkles Gewölbe, in dem lauter Töpfe und Pfannen auf dem Boden standen, in dem überall irgendetwas kochte. Uns wurde alles aus der lokalen Küche angeboten, von Gebäck über Reis bis zum Frittierten war alles dabei. Zu einem unschlagbaren Preis von etwa 3 Euro hatten wir alle ein Getränk und eine Mahlzeit und waren mehr als satt.

Kugelrund sind wir wieder ins Tageslicht gestolpert. Auf unserem Plan stand jetzt noch das Neema Craft. Leider konnten wir die Werkstätten nicht mehr besuchen, weil diese am Wochenende geschlossen sind. Nichtsdestotrotz haben wir den Laden geplündert. Man konnte wunderschöne Kleidung, Taschen, Kissenbezüge, Lampenschirme und Spielsachen aus den bunten Kanga- und Kitengestoffen kaufen. Außerdem gab es eine Vielzahl an Halsketten und Ohrringen aus bspw. Kronkorken. Auch Fotoalben und Notizbücher gab es, die aus selbstgeschöpften Papier hergestellt werden. Einige Bücher bestanden sogar aus Elefantenkacke! Ich hätte mich in diesem Laden wirklich totkaufen können, nicht nur weil die Dinge alle handgemacht wurden von Menschen mit verschiedenen Behinderungen, sondern auch weil diese Dinge Unikate waren. Eine Patchworkdecke hatte es mir besonders angetan. Die gleiche hatten wir bei uns im Lutheran Guesthouse auch. Aus Kitenge-Resten konnte man hier Decken in verschiedenen Größen kaufen. Leider wurde die letzte Decke, kurz bevor ich mein letztes Geld zusammenkratzen konnte, verkauft. Wir ließen den Tag in dem Neema Café ausklingen. Die Bedienungen sind alle taubstumm, sodass man nur mit Notizzettel und einer Anleitung zur Gebärdensprache mit den Angestellten kommunizieren kann. Auch hier schmeckten der Kuchen und die Getränke einfach himmlisch.

Im Hotel ging mir meine Decke einfach nicht mehr aus dem Kopf. Also bin ich zur Rezeption gegangen und habe gefragt, ob ich nicht deren Decke abkaufen könnte. Der Mensch an der Rezeption war total nett und erklärte mir, dass ich auch eine Bestellung aufgeben könnte. Er drückte mir eine Visitenkarte in die Hand, mit der ich die Kontaktperson erreichen könne.

Nachdem wir am nächsten Tag wieder zurück in Morogoro angekommen waren, setzte ich meinen Plan direkt in die Tat um. Anna entschied sich ebenfalls eine große Decke zu bestellen, Anya wollte eine kleine haben. Die Dame vom Neema Craft war sehr hilfsbereit und hat meine Bestellung zügig in die Wege geleitet und das Paket in einem Bus zu mir geschickt.

Man könnte wohl behaupten, dass Iringa ein sehr gelungener Geburtstagsausflug war. Nicht nur von den Temperaturen her war es sehr angenehm, auch das Essen und die Unterkunft waren ein Traum. Ich bin sogar an mein Geburtstagsgeschenk gekommen, auch wenn das einige Tage später eintraf und ich es mir selbst geschenkt habe :P

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