Natürlich wäre diese Aussage ziemlich übertrieben. Im Gegenteil, ich stelle mir sogar sehr oft die Frage in wie fern ich diesem Land vielleicht sogar schade mit dem was ich vorhabe. Jährlich kommen etliche Freiwillige nach Tansania, alle mit guten Willen, aber wirklich helfen tun die wenigsten. In einer Reportage des ARD wird das Thema Freiwilligenarbeit noch einmal beleuchtet (Link steht unten). Oft ist es so, dass die Freiwilligen nur für wenige Monate kommen. Gerade in sozialen Projekten entsteht somit oft ein Fließbandsystem. Immer und immer wieder kommen neue Freiwillige, die Menschen (und vor allem Kinder) müssen sich ständig umstellen. Auch das Thema Geld sollte nicht unterschätzt werden. Gerade bei privaten Vermittlungsorganisationen kosten solche Freiwilligenprojekte wahnsinnig viel. Obwohl die meisten Organisationen beteuern, dass dies alles Programmkosten sind, die auch in die jeweilige Einsatzstelle fließen, ist das in den seltensten Fällen so und wenn, dann kommt nur ein Bruchteil von dem Geld an. Die Hilfe muss also primär aus der Leistung vor Ort hervorgehen. Aber ist es wirklich von Vorteil, wenn ein junger Mensch, der gerade sein Abi in der Tasche hat, damit beauftragt wird bspw. eine ganze Schulklasse zu unterrichten? Ich denke, dass dies gerade auch wirtschaftlich gesehen eher gegenteiliges bewirkt. Die Fachkräfte sind oftmals vorhanden. Dennoch ist es um einiges günstiger einen Freiwilligen zu engagieren, vor allem wenn dabei die Perspektive auf Geld besteht. Woher dieses Geld stammt, ist den Institutionen hier vor Ort oftmals egal. Meist ist es nämlich so, dass die Freiwilligen nicht nur durch ihre Arbeit und Anwesenheit unterstützend wirken sollen, sondern parallel auch eine volle Geldbörse mit Spendengeldern aus privaten Quellen mitbringen sollen. Theoretisch sind solche Spenden nichts verwerfliches, nur ist dieses Thema leider auch ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite profitiert das Projekt natürlich enorm. Mit den Geldmitteln können neue oder bessere Ausstattungen für das jeweilige Projekt bezahlt werden und Investitionen für die Zukunft getätigt werden. Auf der anderen Seite ist hier immer die Frage, ob das Geld tatsächlich sinnvoll genutzt wird und ob die Spende langfristig etwas bringt. Ich komm später noch einmal auf dieses Thema zurück. Natürlich beschäftigen mich diese Fragen und ich tausche mich auch mit anderen Freiwilligen aus. Ich habe für mich entschieden, dass ich mir natürlich über die Vor- und Nachteile der Freiwilligenarbeit bewusst sein muss aber ich vermutlich am meisten mir selber helfe, indem ich unglaublich viele Erfahrungen hier sammeln und teilen kann und mit meinem Besuch in diesem Land Interesse zeige.
Schon in den wenigen Tagen, die ich bisher im Amani Centre gearbeitet habe, konnte ich einige Eindrücke sammeln.
Nachdem wir mit Baracka, unserem Verantwortlichen vor Ort, geredet hatten und ihm erklärt hatten, dass das Amani Centre nichts von uns wüsste, wollte er uns am nächsten Tag im Immigration Office anmelden und am Donnerstag mit uns zur Arbeit. Am Mittwoch haben wir also den ganzen Tag im Hotel gesessen und darauf gewartet, dass Baracka uns mitteilt, wie die weitere Planung aussieht und ob wir im Amani Centre arbeiten dürften. Erst als wir abends zu Bekannten wollten, um zu kochen trafen wir Baracka, weil er an der Hotelbar saß. Er bestätigte uns, dass alles klar ginge und dass wir am nächsten Morgen anfangen könnten zu arbeiten. Na endlich!
Wie gesagt wollten wir abends zu den Norwegern und Thomas. Die Norweger, zwei Mädels, arbeiten auch im Amani Centre und Thomas aus Leipzig, der ein Auslandssemester hier macht, wohnen zusammen und haben demnach auch eine eigene Küche. Die Mädels waren zwar verreist, aber dafür haben wir mit Thomas zusammen Spaghetti und eine improvisierte Tomatensauce mit Gemüseallerlei gekocht. Zwar fehlten uns die typischen Gewürze, um es als Ratatouille bezeichnen zu können, aber lecker war es trotzdem!
Am nächsten Tag sollte doch tatsächlich meine neue Arbeit beginnen. Nach fünfwöchiger Arbeit viel es mir merklich schwer, mich morgens aus meinem Bett zu quälen und mich wieder an einen geregelten Tagesablauf zu halten. Das harzen ist hier einfach so angenehm und von einem ganz anderen Niveau in Hinblick auf die Strände und Pools :P
Nein, ehrlich gesagt war ich doch sehr froh endlich eine Aufgabe zu haben. Zwar war mir (bis auf meinen Aufenthalt in Wami Mbiki) noch nicht langweilig hier, aber trotzdem habe ich mich nach einer körperlich und vor allem auch geistige Anstrengung gesehnt. Im Amani Centre wurden wir dieses Mal ganz offiziell vorgestellt und diesmal auch willkommen geheißen. Danach sind wir mitgekommen zu den Homevisits. Wie ich schon einmal kurz erwähnt habe, werden hier Kinder besucht, die entweder nicht ins Centre kommen können oder die nur noch in ihrer Entwicklung überprüft werden. Was mich doch teilweise sehr schockiert hat, ist wie mit dem Thema Behinderung hier in Tansania umgegangen wird. In einigen Kreisen ist es ein absolutes Tabuthema. Dramatisch wird es vor allem, wenn die Kinder in den größtenteils ärmlichen Verschlägen versteckt und über Jahre eingesperrt leben, damit sie niemand zu Gesicht bekommt. Ganz oft ist es so, dass die Väter die Familie sitzen lassen, um nicht mit dem Kind in Verbindung gebracht zu werden, welches eine Behinderung hat. In einigen Fällen rennt auch die Mutter weg, manchmal verschwinden auch beide Elternteile. Bei einem Kind, welches wir besucht haben war gerade dies der Fall, doch glücklicherweise hat eine ältere Dame in der Nachbarschaft sich dem Jungen angenommen und kümmert sich seit einigen Jahren. Mir wurde außerdem erzählt, dass Frauen, die ein Kind mit einer Behinderung gebären, von der Gesellschaft verachtet werden oder die Kinder manchmal sogar umgebracht werden.
Ein weiterer Punkt, der mich in gewisser Weise wütend gemacht hat, war dass ein Großteil der Kinder, die wir besucht haben, kerngesund zur Welt gekommen sind. Die meisten sind erst nach einer Erkrankung an Malaria oder Gelbfieber zu einer schwerwiegenden Behinderung gekommen.
Für jemanden, der aus einem europäischen Land kommt, sind diese Umstände sehr schwer nachvollziehbar. Bei uns gibt es einen Haufen Ärzte, bei denen man sich regelmäßig impfen lassen kann, um bestimmte Krankheiten vorzubeugen. Auch die Gesellschaft ist von einer komplett anderen Einstellung, als die hier vor Ort. In Europa gibt es sogar spezielle Bürgersteigplatten für Blinde und hier gilt es als absolute Schande körperlich oder geistig eingeschränkt zu sein.
Trotz dieser doch sehr ernsten Einblicke ist es dennoch schön auch die andere Seite zu sehen. Das Amani Centre versucht aufklärerische Arbeit zu verrichten und die Familien weitesgehend zu unterstützen. Oft bringen wir den Familien kleine Geschenke in Form von einem Beutel Zucker mit, da sie häufig sehr arm sind und Zucker zum Grundnahrungsmittel gehört. Die Eltern, die ich bisher getroffen habe, werden schon seit einiger Zeit vom Amani Centre betreut und somit sind auch erhebliche Fortschritte bei den Kindern zu verzeichnen. Außerdem wird bei den Homevisits sehr viel geredet. Die Mütter geben auch manchmal selber Vorschläge. So meinte eine sehr engagierte Mutter, dass sie sich einen Club vorstellen könnte, bei dem die Familien und Kinder sich gemeinsam treffen, austauschen und als Gemeinschaft mehr staatliche Unterstützung fordern könnten.
Am nächsten Tag durfte ich bei der Physio dabei sein. Wer jetzt denkt, dass die Kinder nacheinander kommen, um therapiert zu werden. liegt falsch. In einem eigens für diese Zwecke gedachten Bus werden die Kids und ihre Mütter von Zuhause abgeholt und ins Amani Centre gebracht. Natürlich ist dann erstmal ganz schön was los. Die Mütter kennen sich alle untereinander, plaudern, betreuen ihre Kinder und im Hintergrund plärrt Musik aus einem Handy. Auch die Kinder sind eine ganz schöne Rasselbande, die aus allen Alterstufen besteht und ständig Aufmerksamkeit verlangt. Ich konnte mit einigen Kindern Lauftraining machen. Dabei gibt es auch Unterschiede. Ein Mädchen ist schon relativ weit und muss nur noch ein bisschen gestützt werden beim Laufen und Treppensteigen. Ein kleiner Junge, der wirklich noch im Kleinkindalter war, musste das Stehen und Laufen in einem Gehwagen erst einmal lernen. Leider dauerte es nicht lange, bis es wieder Probleme gab. Ein Mitarbeiter vom Amani Centre wurde informiert, dass nächste Woche die Immigration Police vorbeischauen wollte. Na toll, und wir hatten natürlich kein Arbeitsvisum. Zwar wurde uns von unserer Organisation gesagt, wir bräuchten nur ein Touristenvisum, aber es gab bereits Probleme mit Volunteers im Amani Centre, die dann ein teures Arbeitsvisum bezahlen mussten. Mir wurde sofort Angst und Bange. Nicht, dass ich nächste Woche ausgewiesen wurde. Nach Rücksprache mit Baracka hieß es aber, er würde das klären. Naja, es blieb mir erstmal nichts übrig, als ihm da zu trauen.
Obwohl ich eigentlich nicht unbedingt der absolute Kinderliebhaber bin, fällt es mir immer leichter offen mit den Kids umzugehen. Die meisten sind glücklich, wenn sie Aufmerksamkeit bekommen, wenn man sie aufmuntert eine Übung zu machen, die sie überhaupt nicht mögen oder mit ihnen ein paar Lieder anstimmt. Trotzdem war ich ziemlich geschafft, als ich nachmittags ins Morogoro Hotel an den Pool gefahren bin. So eine Horde Kinder ist einfach anstrengend.
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