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Der Polarexpress [Teil 1]


Moshi

Zugegebenermaßen erwartet man in Afrika weniger arktische Temperaturen, noch die dazugehörige Szenerie. Dennoch ging es Richtung Norden, zu dem einzigen Flecken Erde in ganz Tansania, an dem Schnee liegt.

Anya und ich hatten die Route schon vor einiger Zeit als unsere abschließende Reise geplant. Nach einer Nach in Tanga fuhren wir zunächst nach Moshi. Leider hatten wir etwas Pech mit unserem Bus, was hierzulande öfters einmal vorkommt. Wir saßen relativ weit vorne und schon nach wenigen Minuten Fahrt bemerkten wir dichten Rauch in der Fahrerkabine. An der nächsten Tankstelle mussten wir also das erste Mal anhalten und es wurde eimerweise Wasser über den erhitzten Motor gekippt. Na, die Fahrt konnte ja lustig werden. Beruhigenderweise wurden aber zwei Eimer auf Vorrat mitgenommen. Die Fahrt von Tanga nach Moshi dauert allerdings einige Stunden, sodass auch das Wasser irgendwann aufgebraucht war. Was tut man in Tansania, wenn in so einem Fall das Wasser aus geht? Natürlich, man pinkelt einfach auf den Motor! Ach was liebe ich diese unkomplizierte Improvisationsbereitschaft der Menschen hier...

Moshi ist eine verhältnismäßig kleine Stadt. Wir mieteten uns in ein günstiges Hostel ein, welches zwar nur noch Einzelzimmer frei hatte, aber uns reichte das großzügige Einzelbett zu zweit. Am selben Tag erkundeten wir ein wenig die Stadt. Wir schlenderten ein wenig durch die Straßen, die zahlreich mit touristischen Souvenierläden gespickt waren, bis wir ein kleines Café entdeckten, welches Kaffee verkaufte. Im Norden gibt es nämlich unzählige Kaffeeplantagen. Tchibo ist einer der größten Abnehmer der Kaffeebohnen, weshalb im Lande meist nur Instantkaffee getrunken ist. Obwohl der meiste Kaffee exportiert wird, bekommen die Touristen hier im Norden auch die braune Brühe angeboten. Als wir auf dem Weg zurück ins Hotel waren, sahen wir ihn endlich: den Kilimanjaro. Der „schüchterne Berg“, wie ihn die Einheimischen oft nennen, wird meistens von dichten Wolken verdeckt, sodass man ihn selten sieht. Aber an dem Abend hatten sich die Wolken zurückgezogen und die von schneebedeckte Spitze des höchsten Berges in Afrika war sichtbar.

Für den nächsten Tag war eine sogenannte Kaffee-Tour geplant. Schon am frühen Morgen wurden wir abgeholt und ein Stückchen den Berg hochgefahren. Von dort aus wanderten wir zunächst zu einer kleinen Hütte, in der wir Bananenbier und Bananenwein probieren durften. Das Bier schmeckte scheußlich und überhaupt nicht nach Banane. Der Wein war schon besser, obwohl er eher wie ganz normaler Wein schmeckte. Während wir weiter bergaufwärts marschierten, wurde uns die Kultur des hier ansässigen Stammes der Chagga näher gebracht, sowie der Konflikt mit den Massai. Auf einmal blieb unser Guide wie angewurzelt stehen und pflückte ein kleines Tierchen aus dem Baum und setzte es Anya auf den Arm. Ein Chamäleon! Ich hatte sie mir eigentlich viel größer vorgestellt, aber unser Exemplar hatte sogar zwei kleine Rüssel als Nase. Vorsichtig entließen wir das mittlerweile wild fauchende und verärgterte Chamäleon wieder ins grüne Dickicht und setzten unseren Weg fort. Wir kamen zu einer kleinen Kaffeeplantage, die von einer Frau geführt wurde. Uns wurden die verschiedenen Arten von Kaffeepflanzen erklärt, sowie ihre Anbauweise. Auf dem Hof der Frau durften wir selber Kaffee herstellen. Dazu mussten wir erst die rohen Bohnen von ihren Hülsen trennen, danach die Bohnen rösten, diese wiederum mahlen, sieben und letzendlich Kaffee kochen. Die anschließende Verköstigung durfte selbstverständlich auch nicht fehlen.

Am Nachmittag erkundeten wir den Rest der Stadt. In dem einen oder anderen Laden wurde eine Kleinigkeit gekauft und wir entdeckten etwas außerhalb eine sehr interessante Werkstatt, die sich hauptsächlich auf die Lederverarbeitung spezialisiert hatte. Man konnte hier alles von Schlüsselring, über Schmuck, bis hin zu Möbelstücken kaufen. Gegen Abend kehrten wir in ein wunderschönes kleines Restaurant ein, welches nicht nur sehr gutes Essen verkaufte, sondern auch Kuchen. Das Gebäude verfügte über eine kleine Veranda und hätte genausogut irgendwo in New Orleans stehen können. Nachdem wir uns eine dicke Hauptspeise und Nachtisch gegönnt hatten, war es Zeit zurück zum Hotel zu gehen.Usa River hieß der nächste Stopp. Kurz vor Arusha gab es einen kleinen Ort mit diesem Namen. Theoretisch gab es hier nichts zu tun. Ich hatte meiner Mama allerdings vor einiger Zeit mal wieder in den Ohren gehangen, dass ich das deutsche Essen vermissen würde vor allem Brezeln (an dem Tag hatte ich einen Hieper auf Brezeln...). Nach kurzer Recherche schickte sie mir einen Link zu einer Ausbildungsstätte für Behinderte, die von der deutschen evangelisch-lutherischen Kirche unterstützt wird. Mit zu der Einrichtung gehört auch eine Bäckerei, die unter anderem deutsche Backwaren und Brezeln verkauft. Da musste ich hin! Der Tipp erwies sich als voller Erfolg. Als Freiwillige bekamen wir nicht nur extreme Vergünstigungen sondern die bisher schönste Unterkunft geboten. Das Gästehaus war liebevoll eingerichtet und war hell und sauber. Es gab eine Sitzecke, Essecke und eine kleine Teeküche, in der sogar einige Accesoires von IKEA waren. Auch die Zimmer stellten für uns absoluten Luxus dar: ein ausnahmslos sauberes Badezimmer, heißes Duschwasser und die Betten waren mit echten Daunendecken ausgestattet. Ich war im Paradies! Ich freute mich bärig eine richtig heiße Dusche seit knapp 4 Monaten nehmen und mich in die fluffig weiche Bettdecke kuscheln zu können.

Unseren Hunger konnten wir im Café stillen. Der kleine Shop verkaufte nicht nur Snacks und wahre Leckerbissen, sondern auch selbstgemachte Gegenstände aus den Werkstätten. Hier gab es kleine Tiere aus Schrottresten, Schmuck, Textilien und sonstiges. Auch das Essen stammte aus eigener Herstellung. Zur Ausbildungsstätte gehört ein eigener Gemüsegarten, um den sich die Spezial-Klasse kümmert. Die Backwaren stammen alle aus der hauseigenen Bäckerei, in der ein deutscher Bäcker junge Menschen mit Handicap zu Bäckern ausbildet. Auch sämtliche Marmeladen, Öle und Salatdressings werden von den Frauen im Café selber hergestellt.

Wenn ich behaupte, dass ich mich noch nirgends in Tansania so willkommen geheißen gefühlt habe, lüge ich vermutlich nicht. Die Frauen im Café versprühten direkt eine freundliche Atmosphäre, lachten und spaßten am laufendem Band und versorgten uns mit köstlichem Essen. Während wir unsere Salate und Baguettes futterten gesellte sich eine junge Deutsche zu uns. Sie sei früher auch als Freiwillige hier im Projekt gewesen, hätte jetzt aber eine Anstellung bekommen und sei zurückgekehrt. Wir unterhielten uns eine Weile mit ihr und gemeinsam machten wir einen kleinen Spaziergang durch das Dorf.

Am nächsten Morgen hatten wir einen Ausflug zu den „Maji Moto“ (heißen Quellen) geplant. Von den Frauen im Café hatten wir eine Nummer von einem Taxifahrer bekommen, welcher uns für kleines Geld zu dem Wasserloch fahren würde. Die Fahrt verlief durch das absolute Niemandsland. Weit und breit gab es nichts als trockene Landschaft zu sehen. Nach knapp einer Stunde tat sich vor uns ein kleiner grüner Fleck auf, eine wahre Oase. Die Quelle ist zwar alles andere als heiß, aber ein wirklich toller Ort! Das Wasser ist kristallklar und die Quelle wird von Bäumen und Dickicht umrahmt, sodass alles einen etwas mystischen Eindruck macht. Mittlerweile hat dieser geheime Ort allerdings an Popularität gewonnen, sodass sich einige Menschen mit Zelten am Ufer entspannten und Einheimische sich an Seilen ins Wasser katapultierten. Dennoch plantschten wir den ganzen Nachmittag im Wasser und sahen den einheimischen Jungs zu, wie sie sich gegenseitig mit akrobatischen Figuren ins Wasser zu springen übertrumpften.

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