Dieses Land steckt voller Korruption! Wer das nicht spätestens jetzt bemerkt hat, ist entweder naiv, blind oder beides. Natürlich bekommt man stark mit, wie extrem dieses schwerwiegende Thema hierzulande zum Vorschein tritt. Normalerweise würde ich auch auf jeden Fall behaupten, dass man niemals positiv von Korruption reden sollte. Nichtsdestotrotz habe ich mir meine Erfahrungen in diese Woche zu Nutze gemacht und erfolgreich reflektiert. Mama hatte mir nämlich ein kleines Weihnachtsgeschenk in Form von Essen geschickt. Ich hatte ihr im Vorfeld mehr oder weniger von Fressalien berichtet, die überaus sinnvoll sind und von mir stark vermisst werden. Ich ging also am Montag nach der Arbeit zur Post, um zu überprüfen ob mein Paket bereits angekommen war und tatsächlich. Die Dame am Schalter hievte ein riesiges Paket aus dem Regal. Auch Annas Mama hatte fleißig Päckchen gepackt und nach Afrika geschickt. Als wir uns unsere Errungenschaften schon unter den Arm klemmen und davonmarschieren wollten, hielt uns die Dame zurück. Wir sollten zunächst mit einem Zettel zu dem Büro auf der gegenüberliegenden Straßenseite gehen. Warum sagte sie nicht. Etwas verdutzt machten wir uns also auf den von ihr beschriebenen Weg. Im dortigen Büro wurden wir in einen Raum gerufen, an dessen Tür “Tax Office“ stand. Aha, da lief der Hase also lang. Ein Mann erklärte uns, dass unsere Päckchen Importgüter aus dem Ausland enthielten und wir demnach nun Steuern zahlen sollten. Etwas verdutzt fragten wir nach der Höhe der Steuern. Der Beamte drückte flink ein paar Zahlen in den Taschenrechner und verkündete für mein Paket umgerechnet etwa 30€ und für Annas Paket etwa 15€. Uns klappten nahezu synchron die Kinnladen herunter. Das war absoluter Wahnsinn! Ich wollte bereits zu einer wilden Schimpftirade ansetzen, als Anna mir am Ärmel zupfte. Sie setzte ihr traurigstes Gesicht auf, blinzelte ein paar Mal nacheinander und erklärte dem Menschen mit brüchiger Stimme, dass wir unmöglich dieses Geld aufbringen könnten. Ich verstand ihren Wink und schlug in die gleiche Kerbe indem ich betonte, dass dies Geschenke unserer Eltern zu Weihnachten seien. Anna zeigte dem Mann, welcher sichtlich unsicherer wurde, sogar noch demonstrativ ihre leere Geldbörse. Sie konnte ihm höchstens ihre letzten Scheine anbieten. Schließlich fragte er, was wir denn überhaupt hier in Tansania machen würden. Wir erzählten ihm vom Amani Centre und unserer Arbeit dort und während er nachdenklich nickte zückte er bereits den Stempel und donnerte ihn auf unsere Unterlagen. Er betonte, dass er dieses Mal eine Ausnahme für uns machen würde, aber nur weil bald Weihnachten wäre. Wir bedankten uns überschwänglich bei ihm, wechselten von traurigem Ausdruck in pure Erleichterung und huschten schnellstmöglichst aus dem Büro. Vor dem Gebäude brachen wir in hysterischen Kichern und Gelächter aus. Das hatten wir doch gut hinbekommen! Dieses Land hat zwar größtenteils wirklich kuriose Regeln und Gesetze aber glücklicherweise genügend Möglichkeiten diese zu umgehen.
Zurück im Hotel dachte ich wirklich ich kipp aus den Schuhen. In meinem Paket waren typisch weihnachtliches Gebäck wie Zimtsterne und Spekulatius, sowie Tütensuppen, Haribo und Cappuccinopulver! Auch Anna hatte von ihrer Mama lauter Leckereien bekommen, wie ein großes Glas Nutella. Natürlich wurde sofort der Cappuccino getestet. Ich, die täglich ihre Tasse Kaffee braucht, vermisse meinen braunen Zaubertrank doch immens. Zwar besitzt Tansania riesige Kaffeeplantagen, der meiste Kaffee wird allerdings exportiert und es gibt kaum Röstereien hier vor Ort. Den einzigen Kaffee den man trinken kann, heißt AfriCafe und ist ein ekliges Instantpulver. Somit machte mich das Tütchen Instantcappuccino extrem glücklich.
Einige Tage später hatte sich Antonia angemeldet uns zu besuchen. Ich hatte versprochen mit ihr nocheinmal die Wanderung in die Uluguru Mountains zu machen und weil dies ihre vorletzte Woche war, wurde es höchste Zeit. Natürlich hatten wir uns erst einmal eine Menge zu erzählen, es passierten schließlich andauernd verschiedene Dinge und es mussten diverse Neuigkeiten ausführlich diskutiert werden. Für die Wanderung selber hatten wir ideales Wetter. Es war leicht bewölkt und somit hatten wir wenige Probleme mit der Hitze. Ich hatte mir geschworen die Wanderung zum Gipfel nicht noch einmal zu wiederholen aber Antonia hatte glücklicherweise zugestimmt „nur“ bis zur Morningside zu wandern. Die Morningside ist eine Aussichtshütte, die noch aus der deutschen Kolonialzeit stammt. Die Strecke dorthin ist ähnlich wie die auf den Gipfel. Wir pilgerten an den Wasserfällen vorbei, zu der Hütte unseres Führers und hatten dort Mittagessen. Von da aus blieben wir in etwa auf der Höhe, mussten aber noch ein Stückchen um den Berg herum, um zur Morningside zu gelangen. Dort wurden wir von den Menschen zum Mittagessen eingeladen. Gemeinsam haben wir Ugali, den lokalen Maisbrei, und eine Soße gegessen. Außerdem hatte uns unterwegs eine Frau eine Jackfrucht geschenkt. Das sind sehr große Früchte, mit einer harten pieksigen Schale. Das Fruchtfleisch ist orange und klebrig und schmeckt ein bisschen nach Kaugummi. Unser Guide schleppte uns die Frucht, die er ohne weiteres auf seinem Kopf balancierte, bis zum Fuße des Berges. Nach dieser Wanderung war ich nicht so erschossen, wie nach der Gipfeltour. Natürlich ist es anstrengend die teils extrem steilen Wege hochzuklettern, dennoch fand ich die Morningsidetour angenehmer.
Antonias Besuch beschränkte sich leider auf zwei Tage. Da wir uns vor ihrer Abreise nicht mehr sehen würden, musste ich mich bereits jetzt von ihr verabschieden. Hoffentlich würden wir uns noch einmal wieder sehen in Deutschland!
Antonias Besuch war allerdings erst die Ruhe vor dem Sturm. Am Freitag wollten uns noch Jan, Elisabeth und zwei weitere Freunde besuchen kommen und am Samstag kamen Elena und Leonie. Gemeinsam mit den Leuten aus Dar es Salaam wollten wir uns am Freitag nach getaner Arbeit ein kühles Getränk in einer lokalen Bar gönnen. Elisabeth und ihre beiden Freundinnen fühlten sich nicht wohl und wollten lieber in der Lodge bleiben. Uns schlossen sich allerdings noch ein Kollege aus dem Amani Centre, Thomas und einige seiner Komilitonen an. Anders als Dar es Salaam kann man in Morogoro nicht wirklich gut abends raus gehen. Wir haben uns in einer lokalen und recht überfüllten Bar niedergelassen, ein paar Bierchen getrunken und ein bisschen geschwatzt. Neben mir saß einer von Thomas Kollegen. Auf Dauer ging er mir ein wenig auf die Nerven, weil er mir ständig erzählte dass er mich heiraten wollte und ähnliches. Dies ist hier in Afrika nichts ungewöhnliches, solche Sprüche bekommt man selbst von wildfremden Menschen auf der Straße zugerufen. Der Abend flog nur so dahin und etwas nach Mitternacht war es Zeit heim zu gehen. Dann kam der große Schock. Ich machte meinen allgemeinen Kontrollgriff zur Hüfttasche, um nach Handy und Geld zu tasten und die Tasche war erstaunlich flach. Panisch fummelte ich den Reißverschluss auf, aber das hintere Fach für das Handy war leer… ich lief zurück zum Taxi, um zu überprüfen ob es dort aus der Tasche gefallen sein könnte, aber nichts. Anna, die mal wieder einen kühlen Kopf bewahrte, rief meine Nummer einfach an. Nichts, nur die Mailbox. Na toll, das hieß irgendwer hatte mir mein Handy aus der Hüfttasche geklaut und die Sim-Karte bereits entfernt. Verzweifelt versuchte ich nachzuvollziehen, wie das hätte passiert sein können, aber eine gescheite Antwort fiel mir nicht ein. Also fragte ich vorsichtig Thomas, ob es vielleicht sein könnte, dass sein Kollege auf dumme Ideen kommen könnte. Nach kurzer Grübelei nickte er, er würde dem Kerl alles zutrauen und wollte sich am nächsten Tag darum kümmern. Sowas konnte ich überhaupt nicht gebrauchen, nicht weil das Hand unglaublich wertvoll gewesen wäre, aber einfach weil viele Fotos und Medien auf dem Teil waren. Obwohl ich mich bisher immer einigermaßen sicher gefühlt habe, wurde mir auf unangenehme Weise bewusst, dass es praktisch immer dazu kommen kann, dass jemand in meine Privatsphäre eindringt und beispielsweise mein Handy klaut, ohne dass man auch nur ansatzweise irgendetwas merkt. Das Ende vom Lied war leider, dass mein Handy natürlich nicht wieder aufgetaucht ist. Zum Glück hatte ich noch ein Ersatzhandy auf Vorrat, aber alle meine Dateien sind leider weg.
Am nächsten Morgen machte ich mich erstmal auf den Weg zur Polizei, um den Diebstahl zu melden. Mit Händen und Füßen versuchte ich ihnen klar zu machen, was ich von ihnen wollte und bekam irgendwann ein kleines Protokoll, auf dem alle wichtigen Daten verzeichnet waren. Nachdem ich mit diesem Bericht kostenlos eine neue Sim-Karte bekommen hatte, machten wir uns auf den Weg zum Pool. Jetzt war erst einmal Entspannung angesagt! Auch wenn heute wegen des Wochenendes einige Hochzeiten in dem Hotel stattfanden, tat es ganz gut bei einer kalten Cola und guter Lektüre auf den Sonnenliegen zu braten. Im Laufe des Nachmittags bekam ich endlich eine Nachricht von Elena und Leo, dass sie nun in Morogoro angekommen seien.
Wir kehrten also in die Lodge zurück, um die beiden Mädels willkommen zu heißen. Da die Truppe aus Dar es Salaam noch wandern war, haben wir uns die beiden Mädels geschnappt und sind ins Rock Garden gefahren. Dies ist eine Bar am Fuße der Uluguru Mountains, in der man gemütlich im waldigen Ambiente diverse Getränke genießen kann. Es dauerte aber nicht lange bis sich auch unser Hunger bemerkbar machte und wir auf unserer Nahrungssuche im benachbarten Restaurant landeten, um Burger und Pizzen zu essen.
Am nächsten Tag wollten wir alle gemeinsam in die Kirche. Eigentlich hatten wir gehofft, dass wir zu wilden Gospelgesängen tanzen könnten, aber es stellte sich im Nachhinein heraus, dass wir an einer mehr oder weniger gewöhnlichen christlichen Messe teilnehmen würden. Trotzdem hat es Spaß gemacht dem Gerede auf Swahili zuzuhören und auch die Lieder klangen meiner Meinung nach um einiges fröhlicher, als das schwere Orgelgeplänkel in Deutschland. Neben mir saß außerdem eine Frau, die mir zwischendurch immer mal wieder erklärte, worum es gerade ging. Nachdem wir vollständig bekehrt und gottesgläubig die Kirche wieder verlassen hatten, ging es shoppen auf dem lokalen Sabasaba-Markt. Auf dem Markt gibt es alles für den Alltag: Töpfe, Schuhe, Schmuck, Plastikbehälter und natürlich Stoffe. Wir sind im Entenmarsch von einem Kangastand zum nächsten, bis wir alle abgeklappert hatten und jeder mindestens einen neuen Kanga bzw. Kitenge erworben hatte. Den Rest des Tages haben wir mit einem Haufen Früchten und lustigen Kartenspielen bei uns in der Lodge verbracht.
Die paar Tage gingen rasend schnell um und so hieß es am Dienstag schon wieder Abschiednehmen. Die Mädels mussten wieder zur Arbeit und konnten daher leider nicht länger bleiben. Auch Anya verließ Morogoro heute, sie wollte nach Dar es Salaam fahren, um mit einer Freundin nach Zanzibar zu reisen. Anna und ich blieben also alleine zurück und nutzten unsere freie Zeit, um mal wieder an den Pool zu fahren. Auch Annas Zeit lief langsam ab. In der vergangenen Woche hatten wir bei Weihnachtsmusik ein paar Elefanten aus Pappe gebastelt, die wir den Kids im Amanicentre zum Abschied schenken wollten. Jeder Elefant trug ein Foto eines Kindes im Bauch und die Kinder haben sich gefreut wie Honigkuchenpferde. Wir hatten auch eine Kinderdisko mit afrikanischer Musik, Essen, Süßigkeiten und Spielen für die Kinder vorbereitet. Solche Sachen finden so gut wie nie statt, sodass die Kleinen sich tierisch gefreut hatten, wild herumsprangen, Luftballons jagten oder einfach nur heftig tanzten.
Auch wenn die Temperaturen erbarmungslos über der 30°C-Marke verweilen, kam in den letzten Tagen ein Hauch von Weihnachtsstimmung auf :P